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Es ist nicht das Ende

Na da hab ich mir aber mal ganz schön selber etwas vorgemacht.
Jubel, Trubel und Heiterkeit. Wir sind zuhause mit einem Baby! Unserem klitzekleinem Baby. Geschafft. 

Nee, doch nicht. Es wird Zeit, daß ich das es einsehe und ausspreche. Oder schreibe. Letzteres geht ja fast immer besser. Nichts ist geschafft. Das nach Hause gehen. Das war mein Ziel. Ich dachte, dann ist es vorbei. Dann bin ich ne Mutti mit Baby und wir schweben einfach so auf ner rosaroten Wolke dahin…

Wir sind im Sommer nach Hause gegangen, mit Monitor, Sauerstoff, Magensonde, und Pflegedienst. Wir haben im Haus 2 Sauerstofftanks und auf jeder Etage einen Ambubeutel startklar liegen. In der Küche liegen Spritzen in 3 verschiedenen Grössen statt Fläschchen, und ein langer Zettel mit Medikamenten und wann was und wieviel gegeben wird. Ich habe gelernt mein Baby zu reanimieren und per Hand zu sondieren.

Die erste Nacht alarmiert der Monitor im Minutentakt. Crashkurs und Eingewöhnung in Sachen „Apnoe erkannt, mein Baby atmet nicht“. Das Baby atmet aber ganz friedlich und schläft durch. Nach dem 15ten Alarm lerne ich, ruhig zu bleiben und am nächsten Morgen lerne ich die Elektroden anders zu kleben. Mögen die Nächte ruhiger werden…

Ich bin immer noch auf der Suche nach Normalität und plane einen Einkauf beim Supermarkt an der Ecke. Was man halt so macht mit Baby am Vormittag. Wir haben mehr Gepäck, Sauerstofftank und Monitor müssen ja auch mit. Das erste Mal starren die Leute mir in den Wagen und sehen ein 2kg Baby mit Sauerstoffmaske. Ich erkläre das Warum als erstes am Obst, dann bei der Milch und ein letztes Mal hinter der Kasse.

Auf halber Strecke nach Hause schlägt der Monitor an. Der Kleine schläft, ich hab sofort Panik, daß er nicht atmet bzw schon länger nicht mehr atmet und spurte nach Hause, reisse ihn förmlich aus dem Wagen, stöpsel ihn an den Sauerstofftank zu hause und drehe eine Stufe höher. Es piepst weiter und weiter. Ich bin in schweissgebadet, das Baby ist wach und schaut mich mit grossen Augen an und ich schaue endlich genauer auf den Monitor: Aku leer. Netzadapter anschliessen. Ich könnte kotzen. Über mich und meine eigene Blödheit.

„Der atmet komisch, oder?“ Eine Woche sind wir Zuhause und sowohl der Daddy als auch ich finden, dass der Kleine angestrengter atmet. Die Sättigung ist gut. Wir sind hin und her gerissen. Am morgen mache ich mich auf dem Weg zum Kinderarzt, ein Fachmann soll mal schauen und mich beruhigen. „Sind sie mit dem Auto hier? Kann Sie jemand abholen? Sonst würde ich ihnen einen Rettungswagen bestellen.“  Ich rufe den Dad an und bitte ihn den Autositz einzupacken und uns zu holen. Wir müssen in die Klinik. Dort wird in Windeseile ein Platz auf der Kinderintensiv freigemacht, der Kleine bekommt eine CPAP-Maske auf und ordentlich Flow. Diagnose: Wasser in der Lunge. Er schreit und weint so furchtbar in seinem Wärmebett.

Ich fühle mich in dem Moment, wie eine Versagerin. Ich hab versagt, ich habe ihm doch versprochen dass jetzt alles gut ist, daß ich ihn jetzt nicht mehr alleine lassen muß… keine Nacht mehr ohne Mami. Nicht mal eine Woche konnte ich mein Versprechen halten.

Zur Übergabe muss ich den Raum verlassen. Neue Station. Neue Sitten. Ich sitze vor der Kinderklinik auf der Bank und kann es nicht fassen. Ich fühle mich leer und alleine. Sie haben mir mein Baby weg genommen. Genauso fühlt sich das an. Nicht wie vor der Entlassung. Da war mir klar, dass er da bleibt bis wir nach Hause können zusammen, aber jetzt und heute ist das komplett anders.

„Den kriegen wir wieder hin, machen Sie sich keine Sorgen“, einer meiner liebsten Ärzte steht draussen neben mir.
„Wie lange?“
“ Vielleicht 2 Wochen ca…“.  Wir gucken beide schweigend auf den Boden.

Mir laufen die Tränen nur so runter. Das erste Mal in der Klinik. Und ich hab verstanden. Nichts ist vorbei und das war nicht das Ende.

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2 Kommentare

  1. Sehr schöner Blog und perfekter Artikel. Es könnte fast meine Erfahrung sein…
    Bei uns war es nicht der Supermarkt, sondern der Spielplatz am Tag der ersten Entlassung. Akku vom Monitor leer und wir sind auch nicht darauf gekommen und panisch nach Hause gerannt…
    Nachts gab es haufenweise Alarme und Fehlalarme, die sich irgendwann gegen 0 reduziert haben.
    Den ersten heftigen Klinikaufenthalt gab es nach 3 Wochen und es war nicht klar, ob der Kleine es schafft…
    Jetzt 3 Jahre später warte ich immer noch auf den Tag an dem Alles gut wird.
    Gut ist es nicht, aber es wird viel besser…

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  2. Heike sagt

    Alles gut – wird es in dem Moment, wo dein Frühchen dich das erste mal umarmt, dir sagt Mama ich hab dich lieb, dich anlächelt ….

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