Die ersten Jahre
Hinterlasse einen Kommentar

Vom Brei zur Pommes.

Vom Brei zur Pommes. Für uns ein weiter Weg. Der Kleine ist eins der Frühchen, die schlecht essen. Durch die lange Zeit, in der er intubiert war und dazu über die Magensonde ernährt wurde, ist sein Würgereiz sehr ausgeprägt. Da verliert man schnell den Spass am Essen. „Hunger“  kennt das Frühchen nicht, hat er nie gehabt. Ausserdem sind die ersten Erfahrungen, die der Klitzekleine rund um seinen Mund gemacht hat, nicht unbedingt die Schönsten gewesen.

Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich schon einmal kurz bei Instagram darüber berichtet, dass das Thema Essen mich sehr beschäftigt. Damals hat der Kleine fast ausschliesslich fertigen Griessbrei zu sich genommen. Alle anderen Versuche ihm irgendwas an Nahrung zu geben war ohne Erfolg. Während andere Kinder in seinem Alter damals bereits am Brötchen knabberten, bei uns absolut undenkbar. Alles musste fein püriert sein, Stücke durften gar keine dabei sein. Und wenn dann doch mal ein Stückchen dabei, dann wurde sich verschluckt und gewürgt. Neue Dinge ausprobieren? Auf keinen Fall.

Immer wenn es darum ging, dass der Kleine was essen soll, am besten natürlich alle 3 Stunden, wurde meine Laune schlechter. Ein Krampf, ein Theater ums Essen bei jeder versuchten Mahlzeit. Über uns schwebt immer die Kalorienzahl, die der Kleine pro Tag zu sich nehmen sollte um endlich zuzunehmen. War das Frühstück schlecht, Mittags blieb es bei 2 Löffelchen, dann war der Tag für mich vorbei. Es war ja klar, dass wir das Pensum nicht erreichen würden, die Laune war im Keller.
Nach Aussen gab ich mich gewohnt locker und habe immer erzählt, dass ich darauf vertraue, dass der Kleine auch irgendwann zu McDonalds möchte, wie alle Kinder – und dafür sollte man schon essen können.

Das ist jetzt etwas mehr als ein Jahr her. Ein Jahr, nachdem mir klar wurde, dass das so nicht weitergeht und sich dringend etwas ändern muss. Essen ist doch mehr als nur Kalorien und Nährstoffe in den Körper zu bekommen. Der Klitzekleine hat keinerlei Beschwerden oder Handicaps, was den Magen-Darm-Trakt oder andere Organe angeht.

Ich hätte auf hochkalorische Nahrung und Narungsergänzungsmittel zurückgreifen können. Zwischenzeitlich hielt ich das wirklich für den einzigen Weg. Aber das hätte unser eigentliches Problem ja überhaupt nicht gelöst. Die niedrige „Zufuhr“ lag ja an dem Nicht-richtig-essen-können. Für mich war in dem Moment wichtig, dass der Klitzekleine genau das lernen kann: Essen. Um Nahrung und Nährstoffe aufnehmen zu können.

Ich hab angefangen, mich damit zu beschäftigen, wie ich möglichst viele Nährstoffe und Kalorien auf wirklich kleine Portionen bekomme. Wie ich es schaffe, dass der Kleine hier neugierig wird und überhaupt mal etwas in den Mund nimmt. Spaß und Interesse an Lebensmitteln bekommt. Ich wollte nie, dass wir ihn mit TV / Handy und Co ablenken, nur damit der Mund aufgeht. Ich wollte entspannte Mahlzeiten, einen Zeitraum auf den man sich freut und dabei gerne isst. Gerne essen. Das war mir wichtig. Ich wollte die negativen Eindrücke die da offensichtlich in diesem kleinen Hirn gespeichert waren, ändern.

Als erstes habe ich das Unbedingt-nach-der Uhr-essen gestrichen. Trotzdem schauen wir, dass es möglichst 3 Mahlzeiten plus Snacks hier über den Tag verteilt gibt. Das klappt mal mehr, mal weniger. Er meldet sich einfach nicht zuverlässig bei Hunger (ehemaliges Sondenkind… 😉 was Hunger ist, ihm irgendwie noch nicht richtig klar. Hat man als Sondenkind ja auch nie.)
Die Mahlzeiten für ihn sind möglichst voll mit guten, natürlichen und gesunden Sachen. Natürlich gibt es hier auch Puddings, Weckchen und gekaufte Kinderjoghurts. Aber ich wollte ihn jetzt nicht nur mit Zucker und Fett päppeln 😉

Dann hat sich die Essenssituation auch geändert. Ich schiebe ihm das Essen nicht einfach  singend, tanzend, schimpfend oder bettelnd in den Mund, sondern wir essen gemeinsam. Wenn möglich isst jemand mit ihm geimsam. Jeder in seinem Tempo. Am besten klappt es natürlich, wenn die anderen Kinder dabei sind. Das spielt mir hier sehr in die Karten, denn das was sie haben, möchte er auch. Von anderen Tellern schmeckt es offensichtlich auch besser. Ausserdem bekam er einen Hochstuhl, in dem er neben mir an der Arbeitsplatte stehen und zuschauen kann, was ich mache. Bei der Gelegenheit wanderte übrigens auch das erste Mal ein bisschen Banane ganz alleine in den Mund… . Anfassen, drücken, mal riechen und auch mal in den Mund. Wir haben mit Sahne gespielt, Reis rieseln lassen während ich nebenher gekocht habe. Gebacken und geknetet…

Überhaupt, seit sich der ganze Tag nicht mehr nur um das Essen dreht, da kam die Neugier und die Lust. Nudeln mit rotem Pesto und bisschen Schmand sind sein absolutes Lieblingsessen, mittlerweile kann er fast alles essen. Er schafft es zu kauen und zu schlucken und in den meisten Fällen auch ohne sich zu verschlucken. Gummibärchen, rohe Möhren oder Paprika gehen noch nicht, aber für einen Besuch bei Mcdonald hat es schon gereicht! 😉

Ich bin froh, dass sich die Gesamtsituation entspannt hat, dass er jetzt selber Essen in den Mund nimmt, kaut und schluckt und sich auch nur ganz ganz selten noch verschluckt. Es wird immer besser… es geht voran. Mit viel Geduld und Ausdauer kommen wir weiter. Das tut ihm gut und mir auch. Ich lerne unheimlich viel dazu, jeden Tag. Absolut nichts ist selbstverständlich… nicht mal essen.

Anmerkung
Bei uns hat es wie oben beschrieben funktioniert. Es gibt aber keinerlei körperlichen Handicaps oder Beschwerden bei unserem Frühchen, die das Essen behindern oder erschweren ! Von daher sind wir diesen Weg gegangen. Mir ist klar, dass das nicht überall der Fall ist. Wir haben die ganze Zeit über das Gewicht und die Entwicklung unseres Kindes im Blick. 😉

Hinterlasse einen Kommentar