Ab Drei, Allgemein
Kommentare 5

Einfach Mama.

Mein Kind hat die ersten Minuten seines Lebens auf dieser Welt nicht mit mir verbracht. Ärzte und Schwestern haben dafür gesorgt, dass er lebendig in dieser Welt ankommt, dass es ihm gut geht. Sie haben sich gekümmert und waren da.

In dieser ersten Minute also, sind Ärzte und Schwestern ein Teil unseres Lebens geworden. Ich musste lernen abzugeben. Sie haben versorgt und alles in ihrer Macht stehende getan, damit es meinem kleine Sohn gut geht. Ich saß daneben. Ich konnte nichts anderes tuen, ausser dabei zu sein. Ich hatte ich die ersten Tage nicht viel zu tuen, nicht viel zu entscheiden oder zu helfen.

Ich bin eine der Mütter, die das Leben und Wohlergehen ihres Kindes in die Hände fremder Menschen legen musste. Die erst einmal nur zuschaut, statt zu halten und zu schützen. Statt zu füttern und zu wickeln. Ich musste mein „Muttersein“ runterfahren, mein ganzes Tuen und Handeln basierte nicht mehr allein auf meinen Entscheidungen, meinem Instinkt. Was ist der nächste Schritt? Wann wird die Nahrung gesteigert, wann atmet er gut genug um den Sauerstoff zu reduzieren? Nichts von dem konnte ich entscheiden. Ich brauchte die Hilfe, die Unterstützung und das Wissen der Ärzte und Schwestern. Ich bekam Ausschlag an Armen, auf den Händen und am Hals. Dieser verschwand erst, als ich anfing meine Platz, meine Rolle zu finden, die Situation so akzeptierte, wie sie war.

3 Jahre später.

Noch immer ist die Klinik ein Teil meines und unseren Lebens. Wir sind im sogenannten Nachsorgeprogramm. Aber ich merke immer öfter, wie ich mit mir und der Situation hadere. Wie mich die Besuche in der Klinik teilweise verunsichern und aus der Bahn werfen. Und damit meine ich nicht, die Besuche bei denen es um medizinische Notwendigkeiten geht! Aber es gibt immer wieder mal Termine zur Verlaufskontrolle, zur Entwicklungskontrolle. Termine zu denen ich einbestellt werde und Bericht erstatte, alles gemessen und protokoliert wird und ich am Ende mit dem Wissen darüber, was alles noch nicht erreicht worden ist, nach Hause gehe. Alle sind nett und freundlich, aber ich gehe nicht gestärkt oder bestärkt von dort weg oder mit einem Plan. Ich fühle mich nach einem solchen Termin ein bisschen wie verprügelt. Und auch ein bisschen so, als wenn ich noch immer nicht in der Lage wäre, die Mutterrolle voll und ganz zu übernehmen. Heute wäre wieder so ein Termin gewesen. Gestern Abend waren sie wieder da, die Flecken am Hals.

Ich habe den Termin abgesagt. Es ging um einen Termin, bei dem mit Hilfe einzelner Modulen geschaut wird, wie weit der Kleine sich körperlich und geistig entwickelt hat in den letzten 6 Monaten. Dieser Termin und das Ergebnis dieses Vormittags, haben für meinen Sohn absolut keinen Mehrwert und für mich bringen sie keinerlei neue Erkenntnisse oder bilden irgendeine Grundlage für andere Entscheidungen. Für mich war der Termin unnötig. Das klingt egoistisch, ich weiss. Denn auch die Klinik selber hat ein Interesse, zu erfahren was aus ihren Frühchen so geworden ist.

Ich hab mich schwer getan mit der Entscheidung. Es war schwer für mich, an diesem Punkt jetzt zu sagen “ Danke, nein. Das war es für uns hier, wir brauchen keine weiteren Termine zur Zeit. Es hat einige Tage gedauert bis ich mir wirklich klar darüber war. Das es an der Zeit ist, das Ruder mal zu übernehmen. Auch wenn ich in den letzten Jahren, seit der Entlassung aus der Klinik, eigentlich alles alleine entschieden habe, mich um Informationen gekümmert habe und Termine gemacht habe. Das Gefühl, in diesem Nachsorgeprogramm ist anders. Hier fühle ich mich nicht wohl, ich kann es leider nicht richtig in Worte fassen. Auch wenn die Termine nur alle halbe Jahre mal sind.

Ich möchte entscheiden dürfen, wann ich welche Unterstützung brauche und was wir wann testen lassen. Ich möchte nicht einbestellt werden und dann berichten müssen. Ich bin die Mutter und ich kann das 😉 Ich bin älter (ooh ja) und erfahrener geworden. Ich kann für ihn Sorgen, ich bin reingewachsen in die doch so etwas andere Mutterrolle. Ich kenne wirklich jedes kleine Defizit und jede Erkrankung in und auswendig. Ich kenne alle seine Medikamente, Nebenwirkungen und wie er reagiert. Ich weiss wo es hapert und hängt und wo wir ansetzen müssen. Und ich bin so frech zu behaupten, dass niemand auf dieser Welt mehr über dieses Kind weiss als ich. Auf der Intensivstation habe ich Stück für Stück dazugelernt, jeden Tag einen Schritt mehr in Richtung „zu hause“ und auch Selbstständigkeit getätigt. Dort wurde ich unterstützt und motiviert. Genau das fehlt mir im Nachsorgeprogramm.

Ich bin wirklich froh über diese Entscheidung, finde es aber sehr schwer zu beschreiben, was genau so schwierig daran war, diese Entscheidung zu treffen. Aber jetzt, jetzt fühle ich mich befreit und ein Stückchen „normaler“. Und nach einem sehr netten Telefongespräch heute, weiss ich auch, dass ich mich bei Fragen und Problemen jederzeit wieder an die zuständige Abteilung wenden kann. Das man dann, wenn ich es brauche, wieder da sein wird für uns und das man sich freut – darüber dass es uns gut geht.

Wir sind 3 – der Klitzekleine und ich. Und beide gerade in der “ Ich mach es ‚leine“ – Phase offensichtlich, und das ist sehr gut so!

5 Kommentare

  1. Steffi sagt

    Oh, ich kann deine Zeilen so gut verstehen! Ich bin auch ausgestiegen aus dem Zug. Wir bräuchten Normalität und ich wollte keine Ergebnisse schwarz auf weiß, denn mein Gefühl wusste ja schon Bescheid. Jetzt, einige Jahre später kehre ich zurück. Denn es geht um wichtige Entscheidungen. Die Einschulung steht an und meine Frühstarter sollen viel zu früh eingeschult werden.
    Einen schönen Abend noch
    Mejoma13

    Like

    • Genau dann würde ich auch zurück kehren – dann wenn ich Hilfe und Unterstützung auch brauche. Ich hoffe, ihr bekommt jetzt die Unterstützung und es gibt erfahrene Leute vor Ort! Ich drücke die Daumen, dass ihr eine gute Lösung findet. Davon abgesehen ja auch ein Unding, dass eine Rückstellung soviel Aufwand Muts ich bringt.

      Like

  2. Andrea sagt

    Ich kann dich auch so gut verstehen. Und das, obwohl wir mit unserem klitzekleinen Mann immer mit einem ‚StempelBienchen‘ im Heft von dannen ziehen. Es ist viel mehr der Leistungsgesellschaft-Gedanke – der wer ist ’normal‘, passt in die Norm und wer nicht Vergleich der mich stört. Das regelrechte Suchen nach Fehlern, Misständen, Versäumnissen oder verzögerten Entwicklungsstufen.
    Im Juni sind wir zum ‚zweiten‘ Geburtstag (errechnetem Termin) einbestellt. Ich für mich habe schon mit dem Erhalt der Einladung für mich festgestellt, dass ich mir das noch dieses Mal ansehe und dann nicht wieder hingehen werde.

    Like

  3. Melanie Lindenberg sagt

    Hallo Jutta,

    ich kann dich so gut verstehen. Auch wir sind nicht mehr dort in der Nachsorge, aus genau den selben Gründen. Immer war das Glas halb leer und uns wurde gesagt, was der Mini alles noch nicht kann, aber laut diverser Statistiken können müsste. Dabei gibt es für unsere Mäuse ja überhaupt keine Referenzwerte.

    Wir haben das Nachsorgezentrum Ende letzten Jahres gewechselt. Als dann der erste Brief nach unserem ersten Termin dort kam…..hatte ich Tränen in den Augen. So schön geschrieben, was der kleine alles schon kann für den Start den er hatte. Einfach nur toll. Unser nächster Termin ist am Montag. Ich in gespannt.

    Mach weiter wie bisher. Du machst das richtig.
    Bis bald und noch einen schönen Abend
    Liebe Grüße Melli

    Like

  4. Nathalie große-holz sagt

    Hallo Jutta,

    eine sehr gute Entscheidung👍 Wir sind in dem selben nachsorgeprogramm in der selben Klinik. Nur meiner wird jetzt schon 8 😊 das hat gut getan sich davon zu lösen. Und es ist tatsächlich so, dass sie für einen da sind, wenn man Jahre später zurückkehrt. Wir waren dann wieder wegen der Einschulung da.

    Alles gute euch!
    Nathalie

    Like

Hinterlasse eine Antwort zu jutta Antwort abbrechen