Die ersten Jahre
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wir können nichts für euch tuen.

Eine reisserische Überschrift! Ist was mit dem Kleinen? Und man kann nichts mehr für ihn tuen? Wie schrecklich. Aber, ich sag es euch direkt: völlig falsche Fährte.

Es geht um etwas komplett anderes. Um Mütter geht es. Um Mütter untereinander, über Kontakte und Freundschaften. Ja, es entwickeln sich aus Kindergartenbekanntschaften durchaus auch Freundschaften ( huhu, Mädels, 😉 ich freue mich schon auf ich).

Mit dem Klitzekleinen besuche ich mittlerweile den zweiten Kurs, das Miniturnen, zusammen mit vollkommen normal geborenen und entwickelten Kindern. Natürlich besuchen wir auch Spielplätze, waren im Schwimmbad und im Streichelzoo.
Überall treffe ich da natürlich andere Mütter mit ihren Kindern und man kommt ins Gespräch. Aber schnell wird aus einem belanglosem Gespräch im Sandkasten unter Gleichgesinnten klar, wir sitzen wohl nicht in einem Boot. Oder doch? Ein Beispiel.

„Ach, der Leo wollt ein dem Alter auch nie in den Sandkasten, heute bekomme ich ihn gar nicht mehr raus. Wie alt ist denn dein kleiner Schatz ?“

„Er ist jetzt 17 Monate“.
( Das Wort „korrigiert“ benutze ich nicht mehr, es heisst ja sofort dass mein Kind hier, offensichtlich nicht altersgerecht entwickelt ist, womit das Gespräch an der Stelle zu Ende wäre 🙂 )

„Aber ein ganz Zierlicher oder? Der Leo, der war bis er in den Kindergarten kam auch so zierlich. Jetzt isst der und nimmt immer weiter zu. Schlimm. Gibts du dem kleinen Jungen mal einen Keks ab?“

“ Mal sehen, ob er ihn nimmt, denn leider wird er den nicht essen können. Oder essen wollen. Aber das ist ganz lieb, dass du deine Kekse teilen möchtest“.
Jetzt muss ich erzählen. Das versteht ja niemand sonst. Und nein, müssen tue ich es eigentlich nicht und ich sollte eigentlich auch damit aufhören mich und den Klitzekleinen immer zu rechtfertigen. Die Mutter könnte kann ja auch nachfragen. Wird sie aber nicht. Ich finde sie aber nett und vielleicht entwickelt sich doch trotzdem sowas wie eine Sandkastenfreundschaft draus. Also erzähl ich ein bisschen.

“ Er ist ein bisschen früher auf die Welt gekommen und musste einige Zeit beatmet werden. Das ist möglicherweise ein Grund, warum er nicht gerne Dinge in den Mund nimmt. Daher ist er auch ein bisschen kleiner noch. Aber er holt das alles super auf. Wir haben ja Zeit und ich geh mal davon aus, wenn er mit 40 Jahren aussieht wie ein 27jähriger, dann werden schon ein paar Leute neidisch oder?“
Mit einem kleinen Spass am Ende, versuche ich noch klar zu machen, dass das hier nichts Ansteckendes oder Schlimmes ist und wir total locker…

“ Ach, dann habt ihr ja auch schon viel durchmachen müssen, das war bestimmt schlimm die Zeit im Krankenhaus.“ ( Ich hasse diesen Satz übrigens!)
„Freunde unserer Nachbarn haben auch ein Frühchen, die konnten ihr Kind auch erst nach 4 Wochen mit nach Hause nehmen! Furchtbar. Wie lange hat es denn bei euch gedauert?“

“ 154 Tage. Also bisschen länger.“

Schweigen.

„Leo, kommst du da mal runter? Wir müssen mal los, schon so spät.“


Eine halbe Stunde später sehe ich Leo und seine Mutter immer noch im Sand spielen. In einer anderen Ecke des Spielplatzes. Mit anderen Kindern. Etwa gleiches Alter. Die Mütter lachen und tauschen Anekdoten aus, Tipps und Tricks zum günstigen Kleiderkauf, welche Kita ist der Hit und wer hat auch schon überlegt ein Laufrad zu besorgen. Immerhin wird man schon fast Zwei.

Es ist das Gefühl, wie damals im Krankenhaus. Alle, also in meinen Augen damals alle anderen Mütter, haben ihre Babys bei sich und nur ich muss alleine auf die Intensivstation fahren um mein Baby zu sehen.

Ich und die anderen Mütter. Sitzen wohl nicht im gleichen Boot.
Ich glaube, die wollen uns auch gar nicht dabei haben. Profitieren kann ihr Kind von meinem Kind ja offensichtlich nicht. Was abgucken. Was lernen. Was können die für uns tuen? Was hat mein Kind davon, wenn es mit dem Kleinen zurückgebliebenen spielt? Der wird ihn noch bremsen in seiner Entwicklung, nicht dass der dann auch nicht laufen lernt.
Denkt man das wirklich? Oder handelt man einfach unbewusst so und sucht nach positiven und gewinnbringenden Kontakten, sogar wenn es um die eigenen Kinder geht?

Aber wisst ihr was? Eure Kinder könnten so unglaublich viel lernen! Nämlich Toleranz und Respekt und das man Schwächeren hilft, dass man ihnen zeigt wie es geht. Das nicht alle Menschen gleich sind, dass alles seine Zeit hat. Und für die ein oder andere Mutter könnte es durchaus auch entspannend sein, mit uns. Bei uns muss dein Kind nämlich nix Können. Mir ist das egal ob mit 12 Monaten oder 18 Monaten gelaufen wird, und dem Klitzekleinen erst recht. 😉

15 Kommentare

  1. Wir waren 155 Tage,und ich kann es soooo gut verstehen! Und dann noch Zwillinge. Och guck mal die kleinen können ja schon Laufen. So langsam fällt es fast nicht mehr so dolle auf. Trotzdem, wir haben soviel geschafft. Es sind die GRÖßTEN Kinder die es gibt!!! Auch dieses alter raten. Bestimmt schon 1 1/2 ….ne schon 2…Ja echt….Ja ich werde es wohl wissen.
    Im KH hat mich jemand am Fahrstuhl gefragt als ich mit einem in der Herzabteilung war…ohhh so ein süsses Baby, wieviel Tage alt….Antwort: 110 Tage. ..Reaktion! Ohne weiteren Kommentar und ein Blick der mehr als tausend Worte sagt!

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  2. PaulsMum sagt

    Mein Sohne (2,5 Jahre) ist unglaublich lebhaft und lacht den ganzen Tag. Was meinst du, was ich damit oft erlebe…. . Ich ernte für so ein lebensfohes Kind hämische Blicke. Grüßt er andere Kinder, kommt selten ein Gruß zurück. Was will ich damit sagen? Es macht mich sehr traurig, das Kinder gleich nach der Geburt Erwartungen entsprechen müssen und wenn sie aus der Norm fallen, dann wendet sich die Gesellschaft ab oder man fängt damit an, sich zu rechtfertigen. Es ist Schade, dass wir uns noch nicht auf dem Spielplatz getroffen haben. Ich hätte dir zugehört. Ganz bis zum Schluss und mein Sohn hätte sich sehr gefreut, deinen Sohn kennenzulernen. Toleranz und Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft. Das sind die Werte, die wir unseren Kindern auf den Weg geben sollen. Leider sind viele Eltern nur auf Leistung aus. Ständig wird verglichen. Es ist so egal! Jedes Kind ist einzigartig und es liegt an uns, sie stark zu machen. Ich glaube fest daran, dass Dein Sohn ein ganz Großer unter den Kleinen ist. Alles Liebe!

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    • Ach herzlichen Dank für deinen Kommentar, ich bin ganz gerührt und freu mich sehr. Euch auch alles Liebe und Gute und ganz ganz viele nette Begegnungen in Zukunft! Sonst kommen wir vorbei 😉

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  3. Fatemeh sagt

    Hi. My son is also premature and arrived 6 weeks and 2 days prematurely..I was completely down and was full of fears till we could take him home…i remember my days in hospital when all mummys walked around with babys, fed them or went to garden with family while i was pumping milk and crying not having my baby beside me.
    He is 13 months now and thanks god healthy..but i could never forget what we went through..since his birth my life is different ..I understand and have sympathy with all family who have preterm baby..
    I read your blog regurally and some times my eyes are full of tear and pray for your little sunshine and you to be strong and fight with all problems and sicknesses..
    Dont give a shitt to the people outside and concentrate on you and your little one..
    Looking forward to reading more from you..

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  4. Barbara sagt

    Liebe Jutta! Ich habe deinen Blog erst vor wenigen Minuten entdeckt und schon beim zweiten Eintrag möchte ich dir schreiben. Meine Tochter war 109 Tage im Krankenhaus und ich kann viele deiner Punkte unterschreiben. Alle nicht, weil wir bisher nicht sooviel Kontakt mit „fremden“ Müttern hatten. Ich mag das einfach nicht. Ich mag genau die Dinge, die du beschreibst nicht erklären. Und ich gebe es zu, ich mag (noch) keine neuen Mamas kennenlernen. Momentan bin ich glücklich mit den Mamafreundinnen, die ich schon lange kenne und die unsere Geschichte kennen.

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  5. Chrisi sagt

    Und dann gibt es noch die Momente, wo man die anderen Mütter treffen muss, zB das Fest im Kindergarten. Manchmal lasse ich meinen Sohn dann bei der Oma. Ich ertrage es einfach nicht über Dinge wie die Kinderskischule ab zweieinhalb zu sprechen und in Gesichter zu blicken, die von mir dafür Applaus bekommen wollen. Wo ich doch froh bin den dritten Geburtstag ohne besondere Vorkommnisse feiern zu können… Nein, ich bin jetzt mehr so ein Stand Up Paddler anstatt mit im Boot zu sitzen.

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  6. Steffi sagt

    Ich bin zufällig hier gelandet und lese das erste Mal bei Dir – und werde in Zukunft öfter vorbei schauen. 🙂 Ich wünschte, ich wäre die andere Mutter auf dem Spielplatz gewesen – ich hätte mich gern mit Dir weiter unterhalten und gefragt,ob Du darüber reden möchtest (dann hätte ich zugehört!) oder lieber über etwas anderes. Es wäre mir vollkommen egal, wer von wem profitieren könnte oder wer was kann. Sehr traurig, daß Du solche Erfahrungen machen mußt. Hier auf den Spielplätzen ist es oft sogar so: Es wird meist gar nicht geredet, wenn man sich nicht schon kennt. Ich hätte Dich gern kennengelernt. 🙂
    Herzliche Grüße,
    Steffi

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  7. Fatemeh sagt

    Hi, geht es euch gut? Es ist schon sehr lange dass du nich geschrieben hast. Ich hoffe dass es euch allen gut geht.. schöne Feiertage..

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    • Ja ich weiß!!! In meinem Kopf sind auch schon soviel Dinge über die ich schreiben möchte! Aber die Zeit, die Zeit… ich komm einfach zu gar nix! Aber uns geht es gut! Die letzten Untersuchungen in der Klinik sind gut gelaufen, und geht es gerade gut! Aber schön, dass du fragst!!!

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  8. suessbert sagt

    Ich kenne diese. Sprüche nur zu gut. Ich hab zwar kein extremes Frühchen, aber dafür eines mit Gendefekt. Sie kam bei 36+0 aber nur mit 1790 Gramm.

    Hey Leute, wir haben sehr viel Freude mir unserem Baby. Sie ist fröhlich, sie ist gesund, ihr geht es hervorragend und wir sind unfassbar stolze und glückliche Eltern. Es gibt nichts, was euch leid tun muss. Der Spruch „oh, das tut mir aber leid für euch“ hilft nur euch. Auf uns wirkt er eher wie: „Scheiße, ihr armen habt nur ein minderwertiges Kind. Sorry, dass euer Leben versaut ist.“
    Also bitte erst denken, dann sprechen. Denn unser Leben ist nicht versaut. Es ist wunderbar und wir könnten nicht glücklicher sein.

    Es ist ätzend.

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  9. Sabbi sagt

    Hallo Jutta, ich bin heute zufällig über deinen Blog gestolpert und so vieles spricht mir aus der Seele.
    Unsere Tochter war 89 Tage im Krankenhaus und bei der Geburt 820 Gramm leicht.
    Sie entwickelt sich gut, wenn auch in den grobmotorischen Bereichen etwas langsamer. Ich habe mich ertappt, wie ich immer versuche, mich zu „rechtfertigen“: „Wie alt ist sie denn?“ – „18 Monate, aber eigentlich….“
    Warum eigentlich? Ich mag es nicht sonderlich, die Kinder zu vergleichen. Ob Frühchen oder nicht, jedes Kind entwickelt sich individuell. Bis sie 18 sind, können die meisten laufen, sprechen, haben Haare und Zähne. Warum wollen sich manche Mütter durch ihre Kinder so hervorheben?
    Ich lasse meiner Tochter alle Zeit, die sie braucht. Sie ist gesund und ein unglaublich fröhlicher Sonnenschein mit kleinen Dickkopf. Und wir sind dankbar, dass wir sie haben, genau so und nicht anders.

    Meine Vermutung ist, dass die Eltern „normaler“ Kinder einfach unsicher sind und Angst haben. „Was, wenn mir das passieren würde?“
    Diese Eltern mussten sich nie mit so einer extremen Situation auseinander setzen und das ängstigt sie.
    Hätten wir es nicht erlebt, wer weiß, ob wir nicht genauso unsicher wären?! Hätte hätte…

    Wir können stolz auf uns und unsere Kinder sein, dass wir den schwierigen Start und das Leben nun so meistern. Mit viel Liebe und Dankbarkeit 😃

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  10. Kirstin sagt

    Hallo Jutta, ich wünsche Euch alles gute!
    Meine Zwillinge mußten auch 23+1 auf die Welt geholt werden. 156 Tage und 174 Tage Krankenhaus. Die Äußerungen anderer sind manchmal niederschmetternd, vorallem das Verhalten wenn Sie so von oben herunter einen ansehen und vollquatschen. Mein absoluter horrorsatz; ach ja frühchen bei der heutigen technik und medizinischen möglichkeiten ist das alles nicht mehr so schlimm wie Früher !
    Ich kann nicht so schön schreiben wie Du, ich hätte mit gewissheit auch viel zu erzählen. Von Leuten, Ärzten und Lehrern. Meine Jungs sind heute schon groß, sie werden ende des Monats schon 10 Jahre alt 😉 LG

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