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Wir haben uns getrennt.

Ob richtig oder nicht, dass sagt euch gleich das Licht.
Ich habe ein Extremfrühchen. Und das entwickelt sich anders als ein reif geborenes Kind. Vor allem langsamer. Aber es passiert alles. Greifen. Drehen. Füsse-finden-und-in-den-Mund-stecken. Solche Dinge halt. Völlig normal. Nur halt langsamer.

Um meinen jüngsten Sohn zu unterstützen, haben wir in der Klinik schon mit Physiotherapie begonnen. Ach, ich hab unsere Frau B. in der Klinik geliebt. Sie hat mir gezeigt wie und wo ich die Hand auflege um ihn beim atmen zu unterstützen und die Lungen zu stärken. Man konnte sehen, wie gut ihm das tat. Und das alleine atmen und loswerden der Sauerstoffbrille schien mir der erste Schritt zu sein. Physiotherapie hatte für mich etwas unglaublich Schönes, wo man nach jeder Behandlung positiv gestärkt rausgeht. Auf unsere erste Physiotherapiestunde nach der Klinik hab ich mich gefreut.  Ich habe der Therapeutin vertraut,  viele Frühchen gehen dort zum turnen. Bisschen verwundert war ich ja schon, als es dort direkt ganz anders war.

Ich, mit Baby auf dem Arm, Sauerstofftank und Monitor über der Schulter. Dazu das übliche Babygepäck. Von Stärkung der Lunge war keine Rede. Wir haben sofort angefangen nach Voijta zu turnen um Klitzeklein in seiner Mobilität und Entwicklung zu fördern. Das Prinzip habe ich verstanden, die ersten Übungen auch. Und zuhause habe ich versucht dass alles in den Alltag mit Baby zu packen. Alle 4 Stunden ausziehen, Rückenlage, Seitenlage und Bauchlage. Jede Seite jeweils 30-60 Sekunden. Mit Sauerstoffbrille auf der Nase und Monitorüberwachung. Wenn ich das 3x am Tag geschafft habe, dann waren wir super.

Den Kleinen haben die Übungen unglaublich angestrengt. Zweimal die Woche sind wir vormittags zur Praxis gewandert und haben gezeigt was wir können. Und das war nicht viel. Ich begann zu zweifeln. Mein Sohn begann sich zu verweigern. Je mehr wir wollten, desto weniger war er bereit, hat sich unglaublich überstreckt, gedreht und gewunden. Also kamen immer mehr Übungen und abgewandelte Varianten dazu.

Ich habe angefangen Termine wegen Kleinigkeiten abzusagen. Ich war und bin so hin und her gerissen zwischen „ich muss meine Kind alle Förderung die es gibt zukommen lassen“ und „Das bringt doch alles nichts. Das könne wir lassen.“ Ich habe wirklich kein Problem damit, auch Übungen zu machen, die natürlich unangenehm sind, weil sie Körperteile beanspruchen, die Klitzeklein so gar nicht benutzt. Allein um diese zu stärken und zu trainieren. Mein Kopf versteht das alles. Mein Mutterherz allerdings schlägt Alarm. Mein Baby weint schon jedesmal wenn ich es nur ausziehe. Die Übungen sind so, dass ich Dinge die er kann unterbinde, damit er zB seine Arme mehr belastet. Hier läuft etwas in die ganz falsche Richtung. Ich erzähle der Therapeutin davon, von meinen Zweifeln und Bedenken. Sie erklärt mir, dass sie da nichts ändern kann, ich soll mich an das SPZ wenden und nachfragen ob wir anders turnen dürfen. Ich breche die Stunde ab und bitte abends per Mail um eine Pause.

Ich will mich sammeln, nachdenken und nicht einfach so aus dem Bauch raus und vor Wut etwas entscheiden was mir später leid tut. Aber es kann ja wohl nicht wahr sein, dass ich, dass meine Bedenken mein Kind betreffend, nicht ausreichen um hier etwas zu ändern! Es kann ja wohl nicht sein, dass ich im SPZ nachfragen muss, ob wir anders turnen dürfen. Gehts noch? Morgens erhalte ich eine Antwort auf meine Mail: Pausen, aus welchem Grund auch immer, sind nicht per Mail sondern nur persönlich oder telefonisch durchzugeben.

3,5 Minuten später habe ich alle Termine abgesagt. Persönlich. Am Telefon. Ganz alleine. Ohne das SPZ zu fragen. Vor Wut. Aus dem Bauch raus.

Mir war erst hinterher klar, wie sehr mich das alles belastet hat. Wie unwohl ich mich doch eigentlich immer gefühlt habe, wie schlecht weil mein Klitzeklein sich so anders entwickelt hat als er sollte. Wie wir immer mehr Stunden bekommen haben und mehr Übungen und immer weniger erreicht haben. Und das was wir erreicht haben, passierte meist von ganz alleine. In Phasen in denen wir schon angefangen haben den Kleinen mal alleine machen zu lassen.

Und nu? Nun weiss ich, dass ich meinen Sohn unterstützen möchte, ausgehend von dem was er schon kann, dass er Spaß an Bewegung bekommt und behält. Dass Physiotherapie wieder zu etwas Schönem für uns wird, aus dem man gestärkt raus geht. Wo gelacht wird, wo viel spielerischer mit Kindern umgegangen wird und am besten das alles im Tempo des Kindes. Wo man ihn in seiner Entwicklung unterstützt, auf ihn eingeht und sich einlässt. Oder wie wir beim Fernsehen ja so gerne sagen: „wir müssen die Zuschauer da abholen, wo er steht“ 😉

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5 Kommentare

  1. KCV sagt

    Ich habe Voijta auch abgebrochen. Die Physio sagte, wenn man nicht mit dem Herzen dabei ist, nützt das auch nichts….Versucht es mit Bobath-Turnen (der Klassiker bei Voijta-resistenen-Eltern… da werden Spiele verfeinert, die sowieso gerade an der Reihe sind.
    (Aber die Frage bleibt, ob der Kleine weiter wäre, wenn wir bei Voijta geblieben wären….)

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    • … Wir versuchen jetzt was anderes, wahrscheinlich wird es Bobath sein. Allerdings wenn in einer bestimmten Situation Voijta Übungen passen, dann machen wir halt das. Aber die Frage ob er weiter wäre, wenn ich mehr dran geglaubt hätte oder mit mehr Herz geturnt hätte… Ach genau die Fragen möchte ich mir nämlich nicht mehr stellen. Was wäre wenn… Und hätte ich mal…

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  2. Lilli sagt

    Ich glaube, dass du als Mama das wirklich richtig einschätzen kannst. Auch ich habe irgendwann gelernt nur noch meiner Intuition zu folgen. Und wirklich gutem Rat den ich intuitiv zu schätzen weiß.
    Meine Tochter wurde kein Frühchen nachdem ich ab 21+5 im Krankenhaus lag. In dieser Zeit habe ich mehrere Mütter kennen gelernt die sich aufgrund unaufhaltsamer Wehen mit dem Resultat einer Frühgeburt von 23+0 bis 24+0 für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden. Weil sie informiert wurden, dass ihre Kinder mit Sicherheit eingeschränkt und behindert werden würden. Ich habe das sehr persönlich genommen, während ich um jeden Tag kämpfte. Mir war immer klar: egal wie mein Kind auf die Welt kommt, was fehlt, was es kann und was es können wird: es ist mein Kind. Perfekt für mich, das schönste überhaupt. Wie kann man sein Kind ablehnen weil es wahrscheinlich nie der Norm entsprechen wird? Ich habe in meiner langen Zeit im Krankenhaus gelernt dass es zwei Arten von Menschen gibt, was die Bewertung von Leben angeht. Die, die nur ein „normales“ Leben als lebenswert bezeichnen und die, die jedes Leben achten und es als das sehen was es ist: schützenswert und wertvoll, egal was der Lebende kann/ nicht kann. Ich glaube in deinen Psychotherapeutinnen hast du beide Typen getroffen. Die eine nimmt dein Kind an, will ich helfen zu atmen, zu sein, will ihn sicherlich auch fördern, aber nicht um jeden Preis. Die andere will ihn in das „normale“ Schema zwängen. Niemand sollte 4 mal am Tag ausgezogen werden, wennn er das nicht möchte. Niemand soll Dinge leisten müssen, die ihn so überfordern. Egal mit welchem Ziel, egal ob für heute oder die Zukunft. Du hast richtig entschieden. Sei stolz auf dich, hab bloß kein schlechtes Gewissen!
    Ich wünsche euch, dass ihr eine Therapeutin findet, die euer Kind liebevoll an die Hand nimmt und nicht hinter sich herschleift.

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  3. kcv sagt

    Hallo,
    nicht das ihr mich falsch versteht mit meiner „was wäre wenn…“ Frage, aber in manchen Situationen bricht es mir einfach das Herz z.B. Das Kind spricht eigentlich nur einzelne Wörter, manchmal werden auch zwei kombiniert. Wir verstehen das sehr gut.
    Aber wenn der längste Satz folgender ist: “ Papa, Mama, Schwester laufen. Ich auch laufen…“ und das Kind den Tränen nahe ist, weil es von sich aus schon fast zwei Jahre laufen übt und leider nicht frei laufen kann, dann bricht es mir das Herz und ich überlege, ob Voijta nicht doch sinnvoll gewesen wäre…. eine Antwort werde ich darauf wohl nie erhalten und es bleibt nur weiter zu hoffen, das der sehnlichste Wunsch des Kindes in Erfüllung gehen wird….

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